Sonntag, 11. Januar 2015 1 Kommentare

Chile, oder: Das Land, in das Gott die Reste kehrte...

Bitte was???

Ja, ihr habt richtig gehört!

Es geht die Sage, dass Gott nach der Erschaffung der Welt die Überreste hinter das letzte Gebirge, die Anden, kehrte.
Und somit findet sich in Chile, diesem schmalen Streifen von gerade einmal 180km Breite aber fast 4.500km Länge all das, was man sonst doch eher gleichmäßig über verschiedene Kontinente verstreut sieht. Vulkane, Wüsten, Steppen, Gletscher, heiße Quellen, Strände, Regenwälder...



Chile ist ein Land, in dem es scheint, als würde sich die Natur ausprobieren, als würde sie selbst ungläubig dabei zusehen, was sie alles erschaffen, aber auch zerstören kann.

Und so brachte uns unsere 3-wöchige Reise von den Pinguinen bis zu den Wüstenflamingos, von den Fjorden unterhalb des Meeresspiegels bis zu den Bergen auf 4.000m, von Wind und Kälte bis zu staubiger Hitze, ständig begleitet von Erdbeben- und Tsunamiwarnschildern.



 Wir starteten Anfang Dezember in Santiago, der Hauptstadt, in der knapp 6 Mio. Menschen und somit 40% der Chilenen leben.

Blick auf Santiago vom Hausberg

Im Gegensatz zu den sonst doch eher hektischen südamerikanischen Großstädten präsentierte sich Santiago tiefenentspannt und - ich kann es nicht anders sagen - überraschend gesittet.
Als wir ankamen hatte gerade die bekannteste Fußballmannschaft die Liga gewonnen, Fans zogen mit Fahnen durch die Stadt, aber im Gegensatz zu manch anderer Fangemeinde waren alle nur fröhlich, der Verkehr war kein Chaos, es gab keine alkoholbedingten Ausschreitungen, es wurde nicht gegrölt. 

Regierungsviertel
Der erste Eindruck bestätigte sich auch beim abendlichen Rundgang durch eines der Kneipenviertel und am nächsten Tag bei einem Streifzug durch die Stadt. Santiago schien fast etwas langweilig, oder positiv ausgedrückt: für eine 6 Mio.-Stadt sehr beschaulich, dörflich, sauber und ruhig (die Chilenen bauen sogar Hundehütten in ihren öffentlichen Parks für ihre Straßenhunde, dies nur als kleine Anekdote).
Das Künstlerviertel Bellavista
Wir verbrachten den Tag damit, Santiago zu Fuß zu entdecken, ein leckeres Mittagessen in der Markthalle zu verspeisen, Bustickets für die Weiterfahrt zu organisieren, mit der Standseilbahn auf den Hausberg zu fahren und natürlich die ersten chilenischen Spezialitäten zu kosten und so trank ich meinen ersten, aber nicht letzten Pisco Sour, einen Traubenschnaps mit Limonensaft, Zucker und Eiweiß (ja, Eiweiß! Die Chilenen scheinen eine Vorliebe dafür zu haben, ihre Getränke anzureichern, dazu aber später mehr).

Markthalle
Fahrt auf den Hausberg

Noch am gleichen Abend machten wir uns auf den Weg zum Busbahnhof, um den Nachtbus zu nehmen, der uns ins knapp 700km entfernte Temuco bringen sollte, von wo aus wir mit dem Mietwagen den chilenischen Süden erkunden wollten.
An dieser Stelle sollte ich erwähnen, wie ungern ich Bus fahre und wie sehr mir die Vorstellung graute, die ganze Nacht in einem Reisebus zu verbringen. Umso überraschter war ich, als wir gemütliche Betten (ok, es waren Liegesitze, aber deutlich luxuriöser als Business Class Sitze im Flugzeug (als ob ich schonmal Business Class geflogen wäre...)) im Bus vorfanden und vom "Bussteward" sogar mit einem Abendsnack und am nächsten Morgen mit einem Frühstück versorgt wurden.
selten so bequem gereist :-)
Angekommen in Temuco wollten wir gegen 7h den bestellten Mietwagen am Flughafen abholen. Nach einer längeren und auch etwas teureren Taxifahrt, über die wir uns schon anfingen zu ärgern, setzte uns der Taxifahrer an einem brandneuen Flughafen mitten im Nirgendwo ab. Es stellte sich heraus, dass dieser "hochfrequentierte" Flughafen erst gg. 9/9.30h überhaupt offiziell öffnete (die Türen waren allerdings auf), weshalb wir ca. 2 Stunden alleine dort verbrachten und mit alleine meine ich ALLEINE! Wir hatten den kompletten Flughafen für uns und überlegten kurzzeitig tatsächlich, hinter die Bar zu gehen und die Kaffeemaschine anzuschmeißen.



Von UNSEREM Flughafen aus fuhren wir dann weiter gen Süden nach Pucon, wo wir ein paar Tage verbringen wollten, um die Umgebung mit Seen, Stränden und dem knapp 3.000m hohen, aktiven Vulkan Villarica zu erkunden.

Vulkan Villarica
Lago Vilarica
Wanderung zum Lago Verde



Die Freuden nach dem Wandern
 Nach einer 6-stündigen Wanderung am ersten Tag entschieden wir jedoch, die geführte Tour zum Krater des Vulkans am Folgetag nicht zu machen, da Jan sich in der Woche vor der Reise eine Grippe eingefangen hatte und die Bedingungen am Krater wegen Höhe, giftigen Gasen etc. einfach noch nicht machbar waren.

Wir brachen unseren Aufenthalt also einen Tag früher ab und entschieden stattdessen, in das Universitätsstädtchen Valdivia zu fahren und dort einen Zwischenstopp einzulegen, um uns zum ersten Mal den Pazifik anzuschauen.

Das erste Mal den Pazifik sehen - was für ein Gefühl!!!

Valdivia hatte eigentlich nicht auf unserem Reiseplan gestanden, auch weil es im Reiseführer als Städtchen mit "provinziellem Charme" beschrieben worden war und auf den ersten Blick nichts darauf hindeutete, dass es eine Übernachtung wert sein würde.

Umso überraschter waren wir von der - für uns zumindest - Hauptattraktion des sehr hübschen Städtchens: Ein offener Flussmarkt, auf dem die Marktschreier ihren frischen Pazifikfisch anpriesen und gleichzeitig versuchten, ihre besten Kunden und größten Fans fernzuhalten, eine 50 Tiere starke Seelöwenkolonie! Wir verbrachten einen großen Teil des Nachmittags damit, zu beobachten, wie die Tiere sich immer wieder auf den Steg hievten, um den Marktleuten die Ware von den Auslagen zu mopsen. Herrlich!


Attacke!!!

Flußrundfahrt in Valdivia


Am nächsten Tag ging es für uns weiter nach Puerto Montt, wo wir die nächste Etappe unseres Abenteuers starten wollten.
Einen kurzen Zwischenstopp für ein typisch deutsches Mittagessen gönnten wir uns auf halber Strecke im Seebad Frutillar (zu deutsch "Erdbeere") am Lago Llanquihue, in dem von den Häusern über die Straßenschilder bis zum Essen alles die Geschichte der deutschen Einwanderer zeigte.



Lago Llanquihue

Lecker Braten mit Rotkohl

Dort hatte ich dann auch den nächsten Kontakt mit den reichhaltigen Lieblingsgetränken der Chilenen: Mote con huesillos ist ein eiskalter Matetee mit eingelegtem Dörrpfirsich und gequollenem Weizen (hier galt im Gegensatz zum Pisco sour das Prinzip "einmal und nie wieder").



Von Frutillar aus ging es dann auf direktem Weg weiter nach Puerto Montt, einer Hafenstadt von der aus man in Richtung Süden nur noch mit dem Flugzeug oder dem Schiff weiterkommt, wobei letzteres unser Plan für die nächsten Tage war: Eine Fährfahrt über drei Nächte mit einer Navimag-Fähre durch die patagonische Fjordlandschaft nach Puerto Natales.

Puerto Montt
Puerto Montt selbst diente uns hierbei tatsächlich nur als Ausgangspunkt, um auf die Fähre zu kommen. Die Stadt selber hatte den Charme einer etwas abgehalfterten Hafenstadt, allein der vorgelegene Fischerort Angelmo mit Kunsthandwerks- und Fischmarkt lud dazu ein, ein bisschen zu verweilen und mir ein paar dicke handgestrickte Alpakawollsocken zu kaufen, da ich bereits festgestellt hatte, dass es insgesamt doch kühler war, als erwartet.

Das Fischerdörfchen Angelmo

Fisch- und Kunsthandwerksmarkt in Angelmo


Stachelschnecken, eine Spezialität, aber eine bedrohte Art, daher hab ich mir ein Probeessen verkniffen

Am nächsten Tag ging es also auf die Fähre, wo wir in einer Außenkabine mit Hochbett und geteiltem Bad untergebracht waren.




Insgesamt befanden sich ca. 40 Reisende auf der Fähre, deren Hauptgeschäft es jedoch ist, LKWs mit Fahrern über die Strecke, auf der es keine Straße gibt, zu transportieren.

Unser Stammplatz auf der Fähre

Luxuriös war die Reise somit nicht, aber es war unbeschreiblich zu sehen, wie sich jeden Tag die Natur veränderte: von grünen Wäldern hin zu einer raueren Fjordlandschaft bis zu den Gletschern um Puerto Natales.

Der erste Sonnenuntergang

Auf der Brücke

Und immer wieder Vulkane



Ein Schiffswrack säumt den Weg

Die Natur wird rauer...
Die ersten Gletscher


Ein Highlight der Reise war die Tierbeobachtung. Eines Morgens nach dem Frühstück sahen wir einen Albatros, mit 3m Flügelspanne noch ein recht junges Tier, das seine Bahnen um die Fähre zog. Auch Seelöwen gab es zu sehen und einige Mitreisende sichteten sogar einen Blauwal (leider muss ich zugeben, dass wir zu dieser Zeit noch in den Betten lagen).

Wir durften die Kapitänsbrücke erkunden und ein absoluter Höhepunkt war der Stopp nach zwei Tagen in Puerto Eden, einem Fischerdorf mit ca. 100 Einwohnern, das vom Jakobsmuschelfang lebt. Das Dorf ist nur über diese zweitägige Fährfahrt zu erreichen, Straßen oder einen Flugplatz gibt es nicht und für einen Helikopter wäre der Flug zu lang. Sollte Jemand irgendwann mal eine wirkliche Auszeit von allem brauchen, kann ich Puerto Eden guten Gewissens empfehlen!

Puerto Eden
 Die Fähre stoppte dort also in der Bucht und wir sahen die Einwohner des Dorfes mit ihren kleinen Booten sternförmig auf uns zufahren. Nachdem die Rampe unserer Fähre heruntergelassen worden war, wurden Güter ausgetauscht und die Einwohner machten mindestens ebenso viele Fotos von uns wie wir von ihnen.


Amazon Overnight geht da wohl nicht...


Irgendwann war es dann aber auch genug mit dem Fährfahren. Vom vielen Rumsitzen und dreimal täglich wirklich gutem Essen fühlten wir uns schon fast wie echte Kreuzfahrttouristen, als wir in Puerto Natales ankamen.

Einfahrt nach Puerto Natales
Puerto Natales dient den meisten Reisenden und so auch uns als Ausgangspunkt für Touren und Wanderungen in den Nationalpark Torres del Paine. Die Stadt selber ist mit knapp 20.000 Einwohnern zwar nicht sehr groß, touristisch aber überaus gut und vor allem schön erschlossen. Es gibt liebevoll gestaltete Cafés, gute Restaurants, eine eigene Brauerei und es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, weil ständig Jemand von irgendeiner Wanderung zurückkommt. Die meisten Menschen, die einem begegnen tragen Trekkingklamotten und man fühlt sich gleich wie ein Abenteurer.


Blick vom Hafen auf den Fjord der letzten Hoffnung


Neben dem Tourismus lebt die Stadt hauptsächlich von der Schafzucht. So ist die Umgebung auch wieder grüner und gepaart mit dem unbeschreiblich blauen patagonischen Himmel, den stets tiefhängenden Wolken und den Anden, möchte man eigentlich ständig zur Kamera greifen. Einzig der Wind macht einem hier meist einen Strich durch die Rechnung. Puerto Natales und die ganze Region sind extrem windig und ich meine wirklich WINDIG! Häufig hat man das Gefühl, sich irgendwo festhalten zu müssen...


Dieser Wind, den ich so wirklich noch nie erlebt habe, sollte uns nun für die nächsten Tage begleiten.
Insbesondere im Nationalpark Torres del paine (Türme des blauen Himmels) wurde uns angekündigt, dass die Winde dort noch um einiges heftiger seien, als das, was wir schon erlebt hatten.
Wir waren gespannt und machten uns am nächsten Tag auf, möglichst viel vom achten Weltwunder zu erkunden, zu dem der Nationalpark vor einigen Jahren gekürt wurde.
Da wir nicht genügend Zeit hatten, alles per ausgedehnter Wanderung zu erkunden (die wohl bekannteste W-Wanderung dauert zwischen drei und fünf Tagen, wobei man im Zelt oder in Berghütten übernachtet), hatten wir eine Tagestour gebucht, die zu mehreren bekannten Punkten führte, die man dann jeweils in ca. einstündigen Wanderungen erreichen konnte. Der Nationalpark umfasst insgesamt ca. 2.500 qkm und ist durchzogen von Bergen, Gletschern, Fjorden und riesigen Seen und einmal wieder wurde mir klar, wie gut gewählt die Geschichte von Gott und seiner Kehrerei war.


frisch war`s!

Guanakos





Vom absoluten Wahrzeichen des Nationalparks, den nadelartig aufragenden Granitbergen, konnten wir leider kein Photo machen, da es plötzlich wolkig und neblig wurde, trotzdem hatte sich der Ausflug mehr als gelohnt und wir kamen kaputt und glücklich wieder in Puerto Natales an, von wo aus es am nächsten Tag per Bus zu unserem letzten Reiseziel im Süden gehen sollte: Punta Arenas.

Punta Arenas liegt - um es mal platt zu sagen - verdammt weit südlich. Sie ist zwar nicht die südlichste Stadt der Welt, trägt jedoch den Titel der südlichsten Großstadt der Welt (mit ca. 120.000 Einwohnern). Wären da nicht die Tatsachen, dass sie direkt an der Magellanstraße liegt, man Pinguine beobachten kann und es im Sommer nur ca. 14 Grad warm wird, sie wäre einfach eine ganz normale Stadt.

die Magellanstraße - und wieder: Eroberergefühle...

Kondore
Wir waren nun also am südlichsten Punkt unserer Reise angekommen und damit für mich auch am absoluten Highlight.
Jan war es vorher offensichtlich nicht so bewusst, aber: ICH LIEEEEBE PINGUINE! Ich will jetzt nicht allzu sehr aus dem Nähkästchen plaudern, aber während ich meine Magisterarbeit schrieb, habe ich mir jeden Tag eine Stunde nachmittags freigenommen, um die damals im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Zoosendungen anzuschauen und das auch nur, um die Pinguine zu sehen.
Ich finde Pinguine wirklich absolut großartig. Ich könnte stundenlang beobachten, wie sie herumlaufen und finde die Tatsache beeindruckend, dass sie sowohl ihrem Partner als auch ihrem Nest treu sind, welche Brutgewohnheiten sie haben und wie sie mit unterschiedlichen Temperaturen umgehen können.
Aber genug geschwärmt. In Punta Arenas wollten wir nun also einen Tag mit dem Schiff zu einer Pinguinkolonie fahren. Der Trip wurde leider gestrichen aufgrund des starken Windes (was für eine Überraschung...), es wurde aber eine Alternative angeboten und so starteten wir zu einer Halbtagestour zu einer Magellanpinguinkolonie und da waren sie:


fertig machen zum Fischen!



und mal wieder war´s windig!



Photobomb!
Den Nachmittag verbrachten wir - ich immer noch von den kleinen Frackträgern schwärmend - auf Südamerikas schönstem Friedhof, sozusagen das absolute Kontrastprogramm. Der riesige Friedhof von Punta Arenas zeugt von der Einwanderungsgeschichte der Stadt. Es finden sich viele Gräber und Mausoleen mit kroatischer, deutscher und englischer Inschrift und es war wirklich sehenswert.




Genug von Wind, Kälte und dicken Jacken freuten wir uns nun schon auf den zweiten Teil unseres Abenteuers.

Am nächsten Tag sollte es mit dem Flugzeug von Punta Arenas über Santiago nach Calama in die nordchilenische Wüste gehen.

Wir mussten also einen Temperaturunterschied von 30 Grad (nun gut, das hat man in Porto Alegre manchmal innerhalb eines Tages), aber vor allem einen Höhenunterschied von ca. 3.000m überwinden, um unsere Reise fortzusetzen.

Aber wie es uns dabei ging und was wir noch so erlebt haben, davon ein andermal!
 
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