Bitte
was???
Ja, ihr habt richtig gehört!
Es
geht die Sage, dass Gott nach der Erschaffung der Welt die Überreste
hinter das letzte Gebirge, die Anden, kehrte.
Und
somit findet sich in Chile, diesem schmalen Streifen von gerade
einmal 180km Breite aber fast 4.500km Länge all das, was man sonst
doch eher gleichmäßig über verschiedene Kontinente verstreut
sieht. Vulkane, Wüsten, Steppen, Gletscher, heiße Quellen, Strände,
Regenwälder...
Chile
ist ein Land, in dem es scheint, als würde sich die Natur
ausprobieren, als würde sie selbst ungläubig dabei zusehen, was sie
alles erschaffen, aber auch zerstören kann.
Und
so brachte uns unsere 3-wöchige Reise von den Pinguinen bis zu den
Wüstenflamingos, von den Fjorden unterhalb des Meeresspiegels bis zu
den Bergen auf 4.000m, von Wind und Kälte bis zu staubiger Hitze,
ständig begleitet von Erdbeben- und Tsunamiwarnschildern.
Blick
auf Santiago vom Hausberg
|
Als
wir ankamen hatte gerade die bekannteste Fußballmannschaft die Liga
gewonnen, Fans zogen mit Fahnen durch die Stadt, aber im Gegensatz zu
manch anderer Fangemeinde waren alle nur fröhlich, der Verkehr war
kein Chaos, es gab keine alkoholbedingten Ausschreitungen, es wurde
nicht gegrölt.
Der
erste Eindruck bestätigte sich auch beim abendlichen Rundgang durch
eines der Kneipenviertel und am nächsten Tag bei einem Streifzug
durch die Stadt. Santiago schien fast etwas langweilig, oder positiv
ausgedrückt: für eine 6 Mio.-Stadt sehr beschaulich, dörflich,
sauber und ruhig (die Chilenen bauen sogar Hundehütten in ihren
öffentlichen Parks für ihre Straßenhunde, dies nur als kleine
Anekdote).
Das Künstlerviertel Bellavista |
Wir
verbrachten den Tag damit, Santiago zu Fuß zu entdecken, ein
leckeres Mittagessen in der Markthalle zu verspeisen, Bustickets für
die Weiterfahrt zu organisieren, mit der Standseilbahn auf den
Hausberg zu fahren und natürlich die ersten chilenischen
Spezialitäten zu kosten und so trank ich meinen ersten, aber nicht
letzten Pisco Sour, einen Traubenschnaps mit Limonensaft, Zucker und
Eiweiß (ja, Eiweiß! Die Chilenen scheinen eine Vorliebe dafür zu
haben, ihre Getränke anzureichern, dazu aber später mehr).
Markthalle |
Fahrt auf den Hausberg |
Noch am gleichen Abend machten wir uns auf den Weg zum Busbahnhof, um den Nachtbus zu nehmen, der uns ins knapp 700km entfernte Temuco bringen sollte, von wo aus wir mit dem Mietwagen den chilenischen Süden erkunden wollten.
An
dieser Stelle sollte ich erwähnen, wie ungern ich Bus fahre und wie
sehr mir die Vorstellung graute, die ganze Nacht in einem Reisebus zu
verbringen. Umso überraschter war ich, als wir gemütliche Betten
(ok, es waren Liegesitze, aber deutlich luxuriöser als Business
Class Sitze im Flugzeug (als ob ich schonmal Business Class geflogen
wäre...)) im Bus vorfanden und vom "Bussteward" sogar mit
einem Abendsnack und am nächsten Morgen mit einem Frühstück
versorgt wurden.
selten so bequem gereist :-) |
Angekommen in Temuco wollten wir gegen 7h den bestellten Mietwagen am Flughafen abholen. Nach einer längeren und auch etwas teureren Taxifahrt, über die wir uns schon anfingen zu ärgern, setzte uns der Taxifahrer an einem brandneuen Flughafen mitten im Nirgendwo ab. Es stellte sich heraus, dass dieser "hochfrequentierte" Flughafen erst gg. 9/9.30h überhaupt offiziell öffnete (die Türen waren allerdings auf), weshalb wir ca. 2 Stunden alleine dort verbrachten und mit alleine meine ich ALLEINE! Wir hatten den kompletten Flughafen für uns und überlegten kurzzeitig tatsächlich, hinter die Bar zu gehen und die Kaffeemaschine anzuschmeißen.
Von
UNSEREM Flughafen aus fuhren wir dann weiter gen Süden nach Pucon,
wo wir ein paar Tage verbringen wollten, um die Umgebung mit Seen,
Stränden und dem knapp 3.000m hohen, aktiven Vulkan Villarica zu
erkunden.
Vulkan Villarica |
Lago Vilarica |
Wanderung zum Lago Verde |
Die Freuden nach dem Wandern |
Wir
brachen unseren Aufenthalt also einen Tag früher ab und entschieden
stattdessen, in das Universitätsstädtchen Valdivia zu fahren und
dort einen Zwischenstopp einzulegen, um uns zum ersten Mal den
Pazifik anzuschauen.
Das erste Mal den Pazifik sehen - was für ein Gefühl!!! |
Valdivia
hatte eigentlich nicht auf unserem Reiseplan gestanden, auch weil es
im Reiseführer als Städtchen mit "provinziellem Charme"
beschrieben worden war und auf den ersten Blick nichts darauf
hindeutete, dass es eine Übernachtung wert sein würde.
Umso
überraschter waren wir von der - für uns zumindest -
Hauptattraktion des sehr hübschen Städtchens: Ein offener
Flussmarkt, auf dem die Marktschreier ihren frischen Pazifikfisch
anpriesen und gleichzeitig versuchten, ihre besten Kunden und größten
Fans fernzuhalten, eine 50 Tiere starke Seelöwenkolonie! Wir
verbrachten einen großen Teil des Nachmittags damit, zu beobachten,
wie die Tiere sich immer wieder auf den Steg hievten, um den
Marktleuten die Ware von den Auslagen zu mopsen. Herrlich!
Attacke!!! |
Flußrundfahrt in Valdivia |
Am
nächsten Tag ging es für uns weiter nach Puerto Montt, wo wir die
nächste Etappe unseres Abenteuers starten wollten.
Einen
kurzen Zwischenstopp für ein typisch deutsches Mittagessen gönnten
wir uns auf halber Strecke im Seebad Frutillar (zu deutsch
"Erdbeere") am Lago Llanquihue, in dem von den Häusern
über die Straßenschilder bis zum Essen alles die Geschichte der
deutschen Einwanderer zeigte.
Lago
Llanquihue
|
Lecker Braten mit Rotkohl |
Dort
hatte ich dann auch den nächsten Kontakt mit den reichhaltigen
Lieblingsgetränken der Chilenen: Mote con huesillos ist ein
eiskalter Matetee mit eingelegtem Dörrpfirsich und gequollenem
Weizen (hier galt im Gegensatz zum Pisco sour das Prinzip "einmal
und nie wieder").
Von
Frutillar aus ging es dann auf direktem Weg weiter nach Puerto Montt,
einer Hafenstadt von der aus man in Richtung Süden nur noch mit dem
Flugzeug oder dem Schiff weiterkommt, wobei letzteres unser Plan für
die nächsten Tage war: Eine Fährfahrt über drei Nächte mit einer
Navimag-Fähre durch die patagonische Fjordlandschaft nach Puerto
Natales.
Puerto Montt |
Puerto
Montt selbst diente uns hierbei tatsächlich nur als Ausgangspunkt,
um auf die Fähre zu kommen. Die Stadt selber hatte den Charme einer
etwas abgehalfterten Hafenstadt, allein der vorgelegene Fischerort
Angelmo mit Kunsthandwerks- und Fischmarkt lud dazu ein, ein bisschen
zu verweilen und mir ein paar dicke handgestrickte Alpakawollsocken
zu kaufen, da ich bereits festgestellt hatte, dass es insgesamt doch
kühler war, als erwartet.
Das Fischerdörfchen Angelmo |
Fisch- und Kunsthandwerksmarkt in Angelmo |
Stachelschnecken,
eine Spezialität, aber eine bedrohte Art, daher hab ich mir ein
Probeessen verkniffen
|
Am
nächsten Tag ging es also auf die Fähre, wo wir in einer
Außenkabine mit Hochbett und geteiltem Bad untergebracht waren.
Insgesamt
befanden sich ca. 40 Reisende auf der Fähre, deren Hauptgeschäft es
jedoch ist, LKWs mit Fahrern über die Strecke, auf der es keine
Straße gibt, zu transportieren.
Unser Stammplatz auf der Fähre |
Luxuriös
war die Reise somit nicht, aber es war unbeschreiblich zu sehen, wie
sich jeden Tag die Natur veränderte: von grünen Wäldern hin zu
einer raueren Fjordlandschaft bis zu den Gletschern um Puerto
Natales.
Der erste Sonnenuntergang |
Auf der Brücke |
Und immer wieder Vulkane |
Ein Schiffswrack säumt den Weg |
Die Natur wird rauer... |
Die ersten Gletscher |
Ein
Highlight der Reise war die Tierbeobachtung. Eines Morgens nach dem
Frühstück sahen wir einen Albatros, mit 3m Flügelspanne noch ein
recht junges Tier, das seine Bahnen um die Fähre zog. Auch Seelöwen
gab es zu sehen und einige Mitreisende sichteten sogar einen Blauwal
(leider muss ich zugeben, dass wir zu dieser Zeit noch in den Betten
lagen).
Wir
durften die Kapitänsbrücke erkunden und ein absoluter Höhepunkt
war der Stopp nach zwei Tagen in Puerto Eden, einem Fischerdorf mit
ca. 100 Einwohnern, das vom Jakobsmuschelfang lebt. Das Dorf ist nur
über diese zweitägige Fährfahrt zu erreichen, Straßen oder einen
Flugplatz gibt es nicht und für einen Helikopter wäre der Flug zu
lang. Sollte Jemand irgendwann mal eine wirkliche Auszeit von allem
brauchen, kann ich Puerto Eden guten Gewissens empfehlen!
Puerto Eden |
Amazon Overnight geht da wohl nicht... |
Irgendwann
war es dann aber auch genug mit dem Fährfahren. Vom vielen Rumsitzen
und dreimal täglich wirklich gutem Essen fühlten wir uns schon fast
wie echte Kreuzfahrttouristen, als wir in Puerto Natales ankamen.
Einfahrt nach Puerto Natales |
Puerto
Natales dient den meisten Reisenden und so auch uns als Ausgangspunkt
für Touren und Wanderungen in den Nationalpark Torres del Paine. Die
Stadt selber ist mit knapp 20.000 Einwohnern zwar nicht sehr groß,
touristisch aber überaus gut und vor allem schön erschlossen. Es
gibt liebevoll gestaltete Cafés, gute Restaurants, eine eigene
Brauerei und es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, weil
ständig Jemand von irgendeiner Wanderung zurückkommt. Die meisten
Menschen, die einem begegnen tragen Trekkingklamotten und man fühlt
sich gleich wie ein Abenteurer.
Blick vom Hafen auf den Fjord der letzten Hoffnung |
Neben
dem Tourismus lebt die Stadt hauptsächlich von der Schafzucht. So
ist die Umgebung auch wieder grüner und gepaart mit dem
unbeschreiblich blauen patagonischen Himmel, den stets tiefhängenden
Wolken und den Anden, möchte man eigentlich ständig zur Kamera
greifen. Einzig der Wind macht einem hier meist einen Strich durch
die Rechnung. Puerto Natales und die ganze Region sind extrem windig
und ich meine wirklich WINDIG! Häufig hat man das Gefühl, sich
irgendwo festhalten zu müssen...
Dieser
Wind, den ich so wirklich noch nie erlebt habe, sollte uns nun für
die nächsten Tage begleiten.
Insbesondere
im Nationalpark Torres del paine (Türme des blauen Himmels) wurde
uns angekündigt, dass die Winde dort noch um einiges heftiger seien,
als das, was wir schon erlebt hatten.
Wir
waren gespannt und machten uns am nächsten Tag auf, möglichst viel
vom achten Weltwunder zu erkunden, zu dem der Nationalpark vor
einigen Jahren gekürt wurde.
Da
wir nicht genügend Zeit hatten, alles per ausgedehnter Wanderung zu
erkunden (die wohl bekannteste W-Wanderung dauert zwischen drei und
fünf Tagen, wobei man im Zelt oder in Berghütten übernachtet),
hatten wir eine Tagestour gebucht, die zu mehreren bekannten Punkten
führte, die man dann jeweils in ca. einstündigen Wanderungen
erreichen konnte. Der Nationalpark umfasst insgesamt ca. 2.500 qkm
und ist durchzogen von Bergen, Gletschern, Fjorden und riesigen Seen
und einmal wieder wurde mir klar, wie gut gewählt die Geschichte von
Gott und seiner Kehrerei war.
frisch war`s! |
Guanakos |
Vom
absoluten Wahrzeichen des Nationalparks, den nadelartig aufragenden
Granitbergen, konnten wir leider kein Photo machen, da es plötzlich
wolkig und neblig wurde, trotzdem hatte sich der Ausflug mehr als
gelohnt und wir kamen kaputt und glücklich wieder in Puerto Natales
an, von wo aus es am nächsten Tag per Bus zu unserem letzten
Reiseziel im Süden gehen sollte: Punta Arenas.
Punta
Arenas liegt - um es mal platt zu sagen - verdammt weit südlich. Sie
ist zwar nicht die südlichste Stadt der Welt, trägt jedoch den
Titel der südlichsten Großstadt der Welt (mit ca. 120.000
Einwohnern). Wären da nicht die Tatsachen, dass sie direkt an der
Magellanstraße liegt, man Pinguine beobachten kann und es im Sommer
nur ca. 14 Grad warm wird, sie wäre einfach eine ganz normale Stadt.
die Magellanstraße - und wieder: Eroberergefühle... |
Kondore |
Wir
waren nun also am südlichsten Punkt unserer Reise angekommen und
damit für mich auch am absoluten Highlight.
Jan
war es vorher offensichtlich nicht so bewusst, aber: ICH LIEEEEBE
PINGUINE! Ich will jetzt nicht allzu sehr aus dem Nähkästchen
plaudern, aber während ich meine Magisterarbeit schrieb, habe ich
mir jeden Tag eine Stunde nachmittags freigenommen, um die damals im
deutschen Fernsehen ausgestrahlten Zoosendungen anzuschauen und das
auch nur, um die Pinguine zu sehen.
Ich
finde Pinguine wirklich absolut großartig. Ich könnte stundenlang
beobachten, wie sie herumlaufen und finde die Tatsache beeindruckend,
dass sie sowohl ihrem Partner als auch ihrem Nest treu sind, welche
Brutgewohnheiten sie haben und wie sie mit unterschiedlichen
Temperaturen umgehen können.
Aber
genug geschwärmt. In Punta Arenas wollten wir nun also einen Tag mit
dem Schiff zu einer Pinguinkolonie fahren. Der Trip wurde leider
gestrichen aufgrund des starken Windes (was für eine
Überraschung...), es wurde aber eine Alternative angeboten und so
starteten wir zu einer Halbtagestour zu einer Magellanpinguinkolonie
und da waren sie:
fertig machen zum Fischen! |
und mal wieder war´s windig! |
Photobomb! |
Den
Nachmittag verbrachten wir - ich immer noch von den kleinen
Frackträgern schwärmend - auf Südamerikas schönstem Friedhof,
sozusagen das absolute Kontrastprogramm. Der riesige Friedhof von
Punta Arenas zeugt von der Einwanderungsgeschichte der Stadt. Es
finden sich viele Gräber und Mausoleen mit kroatischer, deutscher
und englischer Inschrift und es war wirklich sehenswert.
Genug
von Wind, Kälte und dicken Jacken freuten wir uns nun schon auf den
zweiten Teil unseres Abenteuers.
Am
nächsten Tag sollte es mit dem Flugzeug von Punta Arenas über
Santiago nach Calama in die nordchilenische Wüste gehen.
Wir
mussten also einen Temperaturunterschied von 30 Grad (nun gut, das
hat man in Porto Alegre manchmal innerhalb eines Tages), aber vor
allem einen Höhenunterschied von ca. 3.000m überwinden, um unsere
Reise fortzusetzen.
Aber
wie es uns dabei ging und was wir noch so erlebt haben, davon ein
andermal!