Donnerstag, 12. Januar 2012

Der Brasilianer an sich...

oder: Wahr- und Unwahrheiten über die neue Heimat
Quellen: business-direct-brazil.com; merkur-online.de; wikimedia.org; brasil-shop.spreadshirt.de


Es gibt nur Itsybitsy-Tiniwini-Honululu-String-Bikinis
    Ja und Nein. In den üblichen Geschäften bestehen tatsächlich alle Bikinis aus vier Dreiecken. Zwei für oben und zwei für unten ;-) Es gibt allerdings Läden für fülligere und ältere Damen, die auch den europäischen Bikinischnitt führen.
Der Verkehr ist chaotisch
    Ja, Ja und nochmals Ja! Dem stimme ich entschieden zu! Es gibt keine Spurbemalung, d.h. eine eigentlich einspurige Straße wird schnell mal dreispurig wenn möglich. Nicht zu vergessen, die Motoboys, die oft als Lieferdienst genutzt werden und sich auch noch zwischendurch schlängeln.
Man putzt sich in der Öffentlichkeit nicht die Nase
    Stimmt! Es gibt auch keine Taschentücher wie bei uns. Das einzige, das kaufbar ist, sind gemusterte Einzelpäckchen, die gerne nach Klostein riechen. Ich habe bisher keinen Brasilianer mit einem Taschentuch gesehen. Alessandra war ganz erstaunt, dass ich das seltsam finde. Sie erzählte mir gleich von ihrem persönlichen Schreckenserlebnis in Deutschland: Ihre erste Vorlesung an einer deutschen Uni im Wintersemester. Ein ganzer Hörsaal schneuzt sich!
Brasilianer sind faul
    Nein und Ja. Die Bürozeiten sind hier deutlich länger als in Deutschland. Man fängt meist früh an (ca. um 7 Uhr) und hört dafür nicht früher auf. Allerdings gibt es überall auf den Straßen das südländische Phänomen „einer arbeitet, fünf schauen zu“. Hinzu kommt, dass es Arbeitskräfte für ALLES gibt (siehe schon der Angestellte, der pfeift), z.B. Aufzugführer, Müllsammler, Menschen, die Amtsgänge für andere erledigen. Ich habe gehört, dass es sogar Leute gibt, die sich gegen Bares für einen in Warteschlangen anstellen. Ob wahr oder falsch muss ich noch herausfinden.
Die Bürokratie ist schlimmer als in Deutschland
    Definitiv. Ich erzählte ja bereits von dem Versuch, einen Staubsauger zu kaufen. Das ganze gipfelt bei uns momentan im Autokauf. Auch nach mehreren Versuchen haben wir es bisher nicht geschafft, weil immer irgendetwas fehlt (Stromrechnung, Unterlagen der Hausbank, abenteuerliche Nummern)
Keiner spricht Englisch
    Die meisten Brasilianer sprechen hier kein Englisch. Ausnahmen sind Hotelrezeptionen und Ärzte in Krankenhäusern. Meine Sprachlehrerin Elisa, die aus Brasilia stammt und lange in Sao Paulo gelebt hat, sagt allerdings, dass das in den großen Städten schon lange nicht mehr so sei.
Hausangestellte und Gärtner gehören in jeden Haushalt
    Das stimmt! Während ich fröhlich streiche, blogge und Portugiesisch lerne, kann ich durch unsere große Fensterfront in fast jeder Wohnung eine Haushälterin erkennen, die putzt und die Kinder versorgt. Leider gilt der Grundsatz „je dunkler die Hautfarbe, desto schlechter der Job“ hier auch. Hausangestellte und Gärtner sind häufig dunkelhäutig.
Alles ist bunt
    Es ist auf jeden Fall viel bunter als in Deutschland. Überall stehen rote, türkise, orange und gelbe Häuschen mit bunten Fensterläden. Die blühenden Blumen tun ihr Übriges dazu. Auch die Kleidung der Menschen ist bunter. Ich war vorgestern in einem Einkaufszentrum, in dem es ausschließlich Kleidung mit Blumenmuster gab (ich schwöre es!)
Im Restaurant bezahlt man kiloweise
    Auch davon habe ich hier bereits erzählt. Wenn man mittags essen geht, dann bieten die meisten Restaurants ein Buffett mit Salaten, Maniok, Fleisch und Desserts. Man kann sich den Teller je nach Hunger füllen und bezahlt dann nach Gewicht.
Alle trinken Caipirinha, und zwar 24/7
    Nein, leider nicht ;-) Der bei uns übliche Caipirinha, bestehend aus Limetten, crushed Ice, braunem Zucker und cachaca (Zuckerrohrschnaps) wird hier so gut wie gar nicht getrunken. Der original brasilianische Caipirinha besteht nur aus Cachaca mit Zucker und einer Zitronen(!)scheibe. Ich habe hier noch gar keinen Caipirinha getrunken. Die Brasilianer in unserem Bundesstaat sind Biertrinker.
Die Brasilianer liegen – wenn möglich – immer am Strand
    Das stimmt!!! Von Mitte Dezember bis Mitte Februar sind in Rio Grande do Sul Ferien und die Stadt ist glaubt man Lisi, Francioni und Elisa wie leer gefegt. Die meisten Brasilianer aus unserer Gegend sind in Santa Catarina, dem nördlich angrenzenden Bundesstaat, der wunderschöne Strände zu bieten hat. Wer zurzeit dort nicht im Urlaub ist, fährt zumindest über das Wochenende die kurze Strecke (ca. 700 km!).
Hausangestellte sind Menschen zweiter Klasse
    Bei uns im Haus gilt dies definitiv nicht. Unser „Mädchen für alles“ Nilva wohnt zwar nicht hier, aber sie gehört mit zur Hausgemeinschaft. Sowohl ich als auch alle anderen halten immer Schwätzchen mit ihr. Ich verstehe inzwischen, was sie sagt und kann auch schon mit einfachen 3-Wort-Sätzen antworten, was gestern dazu geführt hat, dass Nilva und Angela, ganz gerührt vor mir standen, sich gegenseitig angeschaut haben und Nilva meinte „Entende-nos melhor e melhor“ (Sie versteht uns immer besser). Ich kam mir ein bisschen vor wie ein Kleinkind, das sprechen lernt und deren Großmütter mit großen Augen vor dem Kinderwagen stehen, weil es zum ersten Mal „Oma“ gesagt hat ;-))
    De facto steigen aber die vielen dunkelhäutigen Hausmädchen abends meist in die Busse, die in die weniger schönen Viertel oder sogar in Richtung favelas fahren.
Brasilien ist nicht sicher
    In meinem Kopf ist der Gedanke, dass es hier gefährlich ist durchaus präsent. Bewegt man sich tagsüber in den Straßen vergisst man dies aber leicht, weil es hell und wunderschön ist, viele Menschen unterwegs sind und alles fröhlich wirkt. Es gibt aber einige Anzeichen, die auch mir bewusst machen, dass wir in einem durchaus gefährlichen Land leben. Man sieht zum Beispiel fast nie Kinder, die alleine unterwegs sind. Wenn überhaupt, gibt es Jugendliche ab 16 Jahren, die aber auch nur in den Einkaufszentren anzutreffen sind. Gerade in unserem Viertel ist fast jedes Haus 24 Stunden bewacht. Manche Häuser teilen sich auch Wachdienste, die dann Wachhäuschen auf der Straße haben. Alle Häuser sind hoch umzäunt, haben Alarmanlagen und die Gärten liegen nach hinten. Auf vielen Straßen gibt es Häuschen für die Militärpolizei. Unverhofft sieht man in manchen Seitenstraßen oder unter Brücken favelas auftauchen, um die ich einen großen Bogen mache. In Banken stehen Männer mit Gewehren oder Pistolen. Wenn es dunkel ist, sieht man fast keine Menschen auf den Straßen. Die Leute nehmen dann das Auto und auch Jan und ich werden hier keine Abendspaziergänge machen.

Dies sind nur einige der Wahrheiten und Unwahrheiten über Brasilien. Die Liste ist noch endlos lang und ich schreibe immer mal wieder etwas dazu. Wenn euch etwas spezielles interessiert, dann fragt gerne.

6 Kommentare:

Moni hat gesagt…

wenn ihr Tempos braucht, ich schicke euch einige Packungen

Tessa hat gesagt…

Wir kommen auf jeden Fall drauf zurück:-) Danke!!!

Barbara hat gesagt…

bestätigt was meine Schüler sagen..das entsetzen über öffentliches schneuzen ;)

Moni hat gesagt…

Gibt es auch Judo- oder Karateschulen? Wenn ja, ich würde eine besuchen!!!!

Julia hat gesagt…

Das mit dem Schlange stehen gegen Bares habe ich auch schon gehört...und auch dass sich gerne an langen Schlangen angestellt wird ohne zu wissen was es vorne gibt - man könnte ja was verpassen :-) Wird eigentlich in eurer Gegend auch Deutsch gesprochen? Im Süden gibt es doch viele Brasilianer mit deutschen Wurzeln...

Tessa hat gesagt…

Es gibt viele viele Leute mit deutschen Wurzeln, deutschen Nachnamen, aber in POA selber spricht eigentlich fast keiner deutsch. Es gibt aber deutsche Gemeinden im Umkreis uuund: Es gibt DEN RATSKELLER in POA und DEN BIERGARTEN. Das ist immer die erste Frage an mich "warst Du schon im Ratskeller? Da gibt es Spätzle" ;-)))

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